“wellcome” – Engel auf Erden

Viele Familien erleben nach der Geburt eines (oder mehrerer) Babys ungeahnt turbulente Zeiten. Der Nachwuchs ist da und nichts geht mehrIn solchen Lebensmomenten kommen die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen des bundesweiten Projektes “wellcome” quasi wie Engel auf Erden angerauscht und bieten ganz praktische Familienhilfe. – Die AEEB sprach mit “wellcome”-Koordinatorin Monika Rieder (EBW Regenburg) über die Inhalte, Ziele und Finanzen des Projektes.

AEEB: Liebe Frau Rieder, Sie sind Koordinatorin des Projektes „wellcome“ im Evangelischen Bildungswerk Regensburg. Können Sie uns das Projekt mal etwas genauer beschreiben?
Monika Rieder: Das Baby ist da, die Freude ist riesig und nichts geht mehr…“, so oder so ähnlich erleben viele frischgebackene Eltern die erste Zeit mit dem Nachwuchs. Unübersehbar für mich ist, dass die heutige Multilokalität jungen Familien zu schaffen macht: Zu Beginn der Karriere wird der Lebensmittelpunkt oft nach dem Beruf ausgerichtet und nicht selten fehlt durch die häufigen Ortswechsel in der Folgephase der Familiengründung dann ein unterstützendes Sozialnetz. An dieser Stelle ist “wellcome” ein sehr wertvolles Projekt, das niedrigschwellig der Entlastung und auch der Gewaltprävention in den Familien dient. Den jungen Eltern tut es gut im ersten Lebensjahr 1-2 Mal pro Woche Unterstützung zu bekommen. Der zwei- bis dreistündige Besuch unserer Ehrenamtler*innen ermöglicht es, dass der erziehende Elternteil sich Bedürfnisse wie Duschen, Ausruhen, Essen … erfüllen kann oder jemand einfach mal wertfrei zuhört und ermutigt. Gerade bei Mehrlingen oder bei dichter Geburtenfolge sind Familien froh, wenn zum Beispiel ein*eine Freiwillige*r zum Kinderarzt mitkommt und das Geschwisterkind beaufsichtigt.

Als aufsuchendes Angebot komplettiert “wellcome” das Konzept der Familienbildung im EBW stimmig. Die aktive Unterstützung zu Hause ermöglicht den Eltern eine wirkliche Auszeit, gibt ihnen mehr Sicherheit und Leichtigkeit im Alltag. Sie werden offener, zuversichtlicher, stabiler. (Die Wirksamkeit des Projekts wurde bereits 2006 durch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel evaluiert.)
Und noch ein weiterer Pluspunkt: “wellcome” macht die Familien und ihr Umfeld generell auf unser Programm aufmerksam und viele Eltern greifen gerne, während der Nachwuchs beaufsichtigt ist, auf unsere Kurse (z.B. Rückbildungsgymnastik) zurück. Durch die positiven Erfahrungen mit uns besuchen die Familien dann auch andere Veranstaltungsbereiche des EBW.
Zusammenfassend möchte ich sagen: “wellcome” unterstützt alle Eltern, die sich melden und um Hilfe bitten, rund ums Kind. Der Frust in Familien wird reduziert und die Freude am Baby bleibt erhalten. Mit liebevollem Einsatz in der Keimzelle der Gesellschaft, der Familie, sehe ich die beste Möglichkeit Frieden in die Welt zu bringen. “wellcome” leistet mit über 4000 Freiwilligen einen enormen Beitrag für Frieden in unserer Gesellschaft!

AEEB: Welche Rolle spielen Ehrenamtliche für Ihr Projekt und wie gewinnen Sie diese für ein Amt bei “wellcome”?
Rieder: „…wenn ich bei meiner Schwiegertochter klingle, öffnet sie mir mit einem normalen bis gleichgültigen „Hallo“. Wenn ich bei meiner “Wellcome”-Familie an der Tür stehe, öffnet mir die müde, aber lächelnde Mama. Da fühle ich mich willkommen!“ Eine meiner Freiwilligen erzählte mir diese Geschichte so ganz nebenbei. Sie zeigt den großen Wert der Hilfe, die die Freiwilligen – meist Frauen – in den Familien leisten. Ehrenamtliche sind DIE feste Säule, ohne die Wellcome nicht umzusetzen wäre und gleichzeitig haben auch sie große Freude an ihrem Amt. Die Ehrenamtlichen leben quasi ein Stück weit in der Familie mit: Sie mit-er-leben das erste Greifen, Lächeln, Drehen, Krabbeln, und tragen genauso intensiv dazu bei, dass das Kind ein freudiges, warmherziges Miteinander er-lebt. Die Ehrenamtliche unterstützt wie eine Freundin und ist weder Haushaltshilfe noch pädagogische oder medizinische Fachkraft.
Bei uns im EBW melden sich ganz unterschiedliche Freiwillige: Einerseits sind es junge Studentinnen, die gerne etwas mit Herz und Hand tun möchten. Andererseits aber auch Frauen aus völlig unterschiedlichen Sparten und Lebenslagen, die ihr Leben zu bereichern wollen, indem sie anderen helfen. An welchem Ort kann das besser stattfinden, als in einer jungen Familie?
Bemerkenswert ist, dass einige Freiwillige sich gerne daran erinnern, schon “damals” mit den eigenen Kindern an Kursen des EBW teilgenommen zu haben.

AEEB: Seit wann gibt es „Wellcome“ und wie finanziert sich das Ganze?
Rieder: “wellcome” wurde 2002 in Hamburg gegründet und als Social Franchising über Deutschland, Österreich und die Schweiz ausgerollt. Toll ist, dass in Hamburg passende Schulungen, notwendige Formulare für die 220 Teams erarbeitet und auch für alle Bundesländer Landeskoordinationen bereit gestellt werden.
Im EBW als Träger gibt es uns bereits seit fast 10 Jahren. Von hier aus wirken wir in Stadt und Landkreis Regensburg. Das Projekt wird von mir als Teamkoordinatorin und von Frau Reß als “wellcome”-Leitung begleitet. Mittlerweile entlasten wir jährlich ca. 45 Familien, die sich jedoch nicht alle die Gebühren leisten können. Die Gebühren setzen sich aus einem Einmalbetrag von 10 Euro und bis zu fünf Euro je “Freiwilligen-Stunde” zusammen. „Bis zu fünf Euro“ bedeutet, dass dieser Betrag in Familien, die finanziell nicht gut aufgestellt sind, in Absprache reduziert werden kann. Ein “wellcome”-Grundsatz lautet: Hilfe darf am Geld nicht scheitern! Die weitere Finanzierung erfolgt zum Teil über die “Frühen Hilfen” von Stadt und Landkreis Regensburg, vor allem unterstützt uns aber derzeit noch die “Evangelische Wohltätigkeitsstiftung Regensburg” mit Mitteln. Dafür sind wir sehr dankbar. Denn ohne diese Gelder wäre “wellcome” in dem Umfang nicht möglich. Nur einen kleinen Teil finanzieren die Eltern durch ihre Beiträge. Die Freiwilligen bekommen keine Aufwandsentschädigung. lediglich die Fahrtkosten werden übernommen.

AEEB: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Haben Sie Pläne/ Wünsche für das Projekt?
Grundsätzlich ist es natürlich immer positiv, die Finanzplanung auch für die Zukunft weitestgehend gesichert zu wissen. Aktuell arbeiten wir deshalb daran, das Fundraising voranzubringen. Ein Traum wäre eine dauerhafte Spendenzusage eines Unternehmens, ein Erbe…
Ein weiterer großer Wunsch von mir ist es, die Informationsflut, die auf die Eltern einströmt, rechtzeitig zu durchdringen. So manches Mal erfahren Eltern erst am Ende des ersten Lebensjahres ihres Kindes von “wellcome” und somit ist ein wichtiges Kriterium nicht mehr erfüllt. Ferner wünsche ich mir, “wellcome” im gesamten Landkreis weiter auszubauen, um auch hier flächendeckend für alle Eltern erreichbar zu sein.

Interview: Sabine Löcker (AEEB)

wellcome”-Ansprechpartnerin: Monika Rieder (Mobil: 0157/52 53 64 18 oder Tel.: 09 41 / 59 21 5-19; e-mail: regensburg@wellcome-online.de)

Einen Link zur Website des EBW Regensburg/ Wellcome finden Sie hier

Einen Link zu Wellcome Deutschland hier

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