Ob “New Work”, “Wissenskultur” oder “Silver Society”, so genannte Megatrends sind auch für die Erwachsenenbildung richtungsweisend, sagt Ramona Leibinger (Referentin Erwachsenenbildung am RPZ, ab Juni 2024 AEEB Vorständin). Die AEEB sprach mit ihr über Trends, Tendenzen und Perspektiven in der evangelischen Bildungsarbeit.
AEEB: “Megatrends verstehen, Potenziale erkennen, Chancen nutzen“ – neben der „KMU 6“ der Evangelischen Kirche Deutschland stehen bei der diesjährigen AEEB Mitgliederversammlung, die am 27. April 2024 in Regensburg stattfindet, die Megatrends des Zukunftsinstitutes im Fokus des inhaltlichen Teils. Liebe Ramona, kannst du uns kurz erklären, warum das so ist?
Ramona Leibinger: Derzeit erleben wir in Kirche und Gesellschaft extreme Umbrüche, die auch für uns in der Evangelischen Erwachsenenbildung (EEB) große Fragen nach Inhalten, Formaten sowie Zielgruppen aufwerfen und weitreichende Veränderungen nach sich ziehen. Selten zuvor war die Zukunft so ungewiss und unvorhersehbar wie aus aktueller Perspektive.
Vor diesem Hintergrund sind die so genannten Megatrends des Zukunftsinstitutes auch für uns ein hilfreiches Werkzeug und eine effektive Methode. Durch die zentralen Megatrendthemen (insgesamt 12) lassen sich Zusammenhänge und Trenddynamiken besser erkennen, die Komplexität unserer Welt greifbarer und der Wandel überschaubarer machen. Solche gesamtgesellschaftlichen Forschungsansätze halte ich auch für die zukünftige Ausrichtung der EEB für relevant, um sinnvolle Perspektiven im Sinne von groben Leitplanken zu erschließen.
AEEB: Kannst du uns anhand eines Beispiels verdeutlichen, warum solche Megatrends nicht nur für Wirtschaftsunternehmen, sondern auch für die EEB von großem Interesse sind?
Leibinger: Nehmen wir zum Beispiel den vom Zukunftsinstitut angeführten Megatrend „Wissenskultur“. In diesem Punkt geht es nicht nur um Inhalte wie, dass „Lifelong Learning“ zur Norm wird, sondern auch um ein breiteres Bildungssystem, ein neues Bildungsverständnis und darum, dass Bildung ohne digitale Lernmöglichkeiten zukünftig nicht mehr vorstellbar ist. – Etliche der vom Zukunftsinstitut analysierten Aspekte bearbeitet die EEB bereits. Heißt: diese Punkte müssen wir ggf. schärfen und dranbleiben. Andere Aspekte bzw. Entwicklungen wiederum – wie zum Beispiel der zunehmend größere Einsatz von Künstlicher Intelligenz – stellen uns vor große, neue Herausforderungen, die wir bei unserer strategischen Planung noch sehr viel stärker berücksichtigen sollten.
AEEB: Worin unterscheiden sich eigentlich Megatrends von „normalen Trends”?
Leibinger: Von Trends im Allgemeinen spricht man, wenn es sich um Veränderungen oder Entwicklungen in einem bestimmten Bereich handelt, die innerhalb kurzer Zeit auftauchen, meist jedoch aber auch schnell wieder verschwinden. Beispiele wären die kurzfristige Beliebtheit bestimmter Kleidungsstücke oder Musikgenres.
Bei den so genannten Megatrends hingegen handelt es sich um langfristige und tiefgreifende Veränderungen, die über Jahrzehnte hinweg bestehen bleiben und auf allen Ebenen einer Gesellschaft wirken – vom Individuum bis hin zu Großunternehmen. Ein Beispiel ist die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung unserer Gesellschaft. Dieser Megatrend umfasst eine Vielzahl von Entwicklungen, einschließlich die breite Nutzung von sozialen Medien und KI sowie die Automatisierung von Prozessen in verschiedenen Bereichen wie Industrie, Gesundheitswesen und auch Bildung. Seine Auswirkungen sind sehr weitreichend und haben eine langfristige, transformative Wirkung auf nahezu alle Aspekte des menschlichen Lebens.
Außerdem wichtig: Megatrends beeinflussen sich gegenseitig und sind miteinander verknüpft. Dadurch entstehen Überschneidungen, die interessante Anknüpfungspunkte für unsere Arbeit sein können. Ein praktisches Beispiel für die Verankerung von strategischen, langfristigen Zielen in unserer Arbeit ist das Qualitätsmanagement. Dort müssen Ziele benannt werden, die für die Einrichtung relevant sind, aber auch mit der langfristigen Gesamtstrategie des Verbandes übereinstimmen. Megatrends können somit einen groben Rahmen für unsere strategische Zukunftsplanung darstellen.
AEEB: Liebe Ramona, derzeit bist du noch als Referentin für Trendscouting, Fortbildung und Beratung bei der AEEB tätig, am 1. Juni 2024 wirst du unsere neue theologisch-pädagogische Vorständin. Welche Aufgabenbereiche wirst du zukünftig übernehmen?
Leibinger: Durch meinen bisherigen Stellenanteil bei der AEEB konnte ich bereits einige Projekte – auch in der Zusammenarbeit zwischen RPZ und AEEB – beginnen, die ich an vielen Stellen weiterführen kann. Dazu gehört u.a. das bereits genannte Thema Trendscouting. Des Weiteren die bereits begonnene Überarbeitung und Entwicklung des FEBEA-Programmes (Fortbildungsordnung für Hauptberufliche in der EEB in den ersten Arbeitsjahren), bei dem wir ein zeitgemäßes und an die Bedürfnisse der Teilnehmenden angepasstes Onboarding-Programm im Verband aufbauen werden.
An meinem ersten Arbeitstag im neuen Amt steht die Kick-Off Veranstaltung für das Netzwerk Pädagogik an, wodurch ich sogleich mit der Arbeit an der Zukunft der Erwachsenenbildung und ihren Strukturen starte. Das Netzwerk soll die pädagogische Arbeit der EEB stärken und weiterentwickeln, Impulse geben und aktives Handeln fördern. Dabei geht es um Perspektiv-Erweiterung, Know-how-Nutzung und Innovationstransfer für haupt-, neben- und ehrenamtlich Mitarbeitende in der EEB. Zu Beginn meiner neuen Tätigkeit bei der AEEB werde ich aber natürlich auch Zeit mit Netzwerken und Kontaktaufbau verbringen, um Menschen und ihre Bedarfe, Einrichtungen, Strukturen und den Verband noch besser kennenzulernen. Daraus ergeben sich bestimmt noch vielfältige andere Aufgaben, für die ich Raum lassen möchte. Bei aller Planung habe ich auch das Ziel, Freiräume für Unvorhergesehenes und für Gespräche zwischen Tür und Angel zu haben.
Interview: Sabine Löcker (AEEB)
Zur weiteren Info
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Ausführliche Infos zu den Megatrends des Zukunftsinstitutes hier
Pressemitteilung „Ramona Leibinger wird neue AEEB Vorständin“ hier
