AEEB Interview: Europäische Bildungsarbeit – Bereicherung und Chance zugleich

Warum ist der europäische Austausch rund um Kirche und Bildung so wichtig? Welche Vorteile und Fördermöglichkeiten sehen Sie für die Erwachsenenbildung im Rahmen der Europäischen Union? – Die AEEB sprach mit Bianca Kappelhoff, zuständig für den Arbeitsbereich „Evangelische Bildungsverantwortung in Europa“ beim Comenius-Institut in Münster.

AEEB: Liebe Frau Kappelhoff, auf der Website des Comenius-Institutes findet man Sie als „Mitglied des Leitungsteams für den Arbeitsbereich Evangelische Bildungsverantwortung in Europa“. Was verbirgt sich hinter dieser Stellenbeschreibung bzw. wo genau liegen Ihre Aufgaben?
Bianca Kappelhoff: In meinem Arbeitsbereich „Evangelische Bildungsverantwortung in Europa“ bin ich für europäische Projekte und Vernetzung in europäischen Verbänden und Kirchenstrukturen zuständig. Dabei arbeite ich im Institut mit Kolleg*innen aus allen Bildungsbereichen zusammen, von schulischer Bildungsarbeit über Gemeinden bis hin zur Erwachsenenbildung. Ziel ist es, die europäische Zusammenarbeit für den professionellen Alltag auf Bundes- und Landesebene fruchtbar zu machen – in diesem Fall für die Erwachsenenbildner*innen. Dabei arbeite ich insbesondere mit Bundesgeschäftsführer Michael Glatz sowie mit Cornelius Sturm (wissenschaftlicher Mitarbeiter) aus der Geschäftsstelle des EEB Bundesverbandes zusammen. Meine Tätigkeit im Leitungsteam des Comenius-Instituts ist eine zusätzliche Aufgabe, die ich übernommen habe.


AEEB: Warum denken Sie ist der europäische Austausch rund um Kirche und Bildung gerade auch für die Erwachsenenbildung von so großem Interesse?
Kappelhoff: Mit unseren deutschen Kolleg*innen tauschen wir uns ja völlig selbstverständlich aus, warum also nicht auch mit den europäischen? Meiner Erfahrung nach ist dieser Austausch meistens besonders erfrischend, da es die Chance eröffnet aus den üblichen Diskursen auszubrechen und neue Perspektiven und Ideen zu bekommen.
In Europa stehen wir vielerorts vor sehr ähnlichen Herausforderungen. In einer globalisierten Welt treffen uns Entwicklungen wie Demokratiegefährdung, Nachhaltigkeit oder der digitale Wandel überall, wenn auch übersetzt in den lokalen Kontext. Das gilt im Übrigen genauso für den Bedeutungsverlust der Kirchen. Gerade deshalb kann der Austausch so bereichernd sein. Bei der Erwachsenenbildung geht es ja um selbstbestimmtes Leben und Teilhabe an der Gesellschaft. Da diese auf vielfältige Weise von europäischen und internationalen Kontexten beeinflusst wird und damit untrennbar mit der europäischen und Welt-Gesellschaft verwoben ist, kann Teilhabe auch nur unter Berücksichtigung dieser gelingen. Das ist eigentlich gar nicht zu trennen.


AEEB: An wen können sich unsere Mitgliedseinrichtungen bei Fragen oder auch für Fördermöglichkeiten, die im Zusammenhang mit europäischer Bildungsarbeit stehen, wenden?
Kappelhoff: Ihre Mitgliedseinrichtungen können sich natürlich gerne jederzeit an mich und meine Kolleg*innen aus der Geschäftsstelle des EEB Bundesverbands wenden. Wir arbeiten gemeinsam an der Schnittstelle Europa und Erwachsenenbildung. Darüber hinaus gibt es auf europäischer Ebene auch Dachverbände, die Mitglieder in zahlreichen Ländern und viel Erfahrung mit europäischer Zusammenarbeit haben. So zum Beispiel die „European Association for the Education of adults“ (EAEA) oder auf christlicher Seite die „Ecumenical Association of academies and laity centres in Europe“ (OIKOSNET Europe).
Bezüglich Fördermöglichkeiten kann ich das EKD-Büro Brüssel empfehlen, das hohe Expertise in dem Feld hat. Die Mitarbeitenden bieten regelmäßig Online-Seminare zu Förderprogrammen an und auch individuelle Beratungsgespräche sind unkompliziert möglich. Hier kann ich gerne vermitteln.

AEEB: Bleiben wir in Brüssel: Am 9. Juni 2024 finden die Europawahlen statt und deshalb lassen Sie uns abschließend noch einen kurzen Blick auf die Arbeit des Europäischen Parlamentes werfen. Was wäre Ihrer Ansicht nach in Richtung Bildungspolitik wichtig, es in Zukunft europäisch zu regeln?
Kappelhoff: In ihren zehn Empfehlungen zu den Europawahlen weist die EAEA zu Recht darauf hin: „Weder der digitale Wandel oder der Green Deal noch die Stärkung der Demokratie können ohne die Erwachsenenbildung (EB) verwirklicht werden.“ Niedrigschwellige Angebote zur Ermöglichung von Lebenslangem Lernen, Persönlichkeitsentwicklung und Teilhabe müssen einen zentralen Platz haben auch im europäischen Bildungsraum. Ziel dieser umfassenden Strategie der EU bis 2030 ist der gemeinsame Aufbau krisenfesterer und inklusiverer Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung. Mit klaren Zielvorgaben und Indikatoren und verstärkten Synergieeffekten mit anderen Politikbereichen bringt die EU Reformen in den 27 Mitgliedsstaaten voran.
In den zehn Empfehlungen finden sich aber auch konkrete Forderungen wie zum Beispiel zur Umsatzsteuerbefreiung für Erwachsenenbildungseinrichtungen im Zuge der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie. Dies ist eine wichtige Gesetzgebung mit unmittelbaren, finanziellen Auswirkungen auf die Erwachsenenbildungseinrichtungen auch in Deutschland. Ebenso fordert die EAEA, dass sowohl eine Verdreifachung der Mittel für nicht-formale Erwachsenenbildung im Rahmen von Erasmus+, Horizon Europe und dem Europäischen Sozialfonds+, als auch die Ausweitung des Zugangs für Drittländer zu EU-Förderprogrammen notwendig wären, um strukturell nachhaltige und angemessene Finanzierung von Erwachsenenbildung in allen Ländern zu gewährleisten. „Dies„, so heißt es in den Empfehlungen, „könnte u.a. durch die Festlegung eines europäischen Vergleichsmaßstabs zur Finanzierung der Erwachsenenbildung in den Mitgliedstaaten und durch die Förderung der Entwicklung geeigneter Monitoring-Instrumente unterstützt werden.“
Last but not least möchte ich an dieser Stelle noch die Gelegenheit nutzen, alle Leser*innen zur Wahl aufzurufen, ganz im Sinne der Kampagne des Europäischen Parlaments: Use your vote!

Interview: Sabine Löcker (AEEB)

Zur weiteren Info
Das Comenius-Institut, Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaften e.V., in Münster erforscht und bearbeitet Grundthemen evangelischen Bildungshandeln. Die Arbeit ist im nationalen und europäischen Horizont an Entwicklungen der pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Disziplinen orientiert und zielt auf die Klärung und Stärkung einer evangelischen Perspektive im Bildungsbereich. Link zur Homepage hier

Die Initiative Europäischer Bildungsraum (European Education Area) unterstützt die EU-Mitgliedstaaten mit Hilfe verschiedener Arbeitsgruppen (u.a. „Erwachsenenbildung: neue Chancen für alle“ und „Digitale Bildung: Lernen, Lehren und Bewerten“) beim gemeinsamen Aufbau krisenfesterer und inklusiverer Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung. Link zur Homepage hier

Was ist mit Erasmus+ in der Erwachsenenbildung möglich – und wer kann teilnehmen? – Nähere Infos dazu hier

„Use your Vote!“ – Youtube-Video zur Wahlkampagne der Europäischen Union hier

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