Warum nur kocht jede(r) sein eigenes Süppchen?

Ich bin ein Fan der Vernetzten Kirche“, gesteht Pfarrerin Heidi Wolfsgruber (EB-Beauftragte in den Dekanaten Uffenheim und Neustadt) ihrem fiktiven Tagebuch. Doch vor allem im Umgang mit digitalen Tools vermisst die „Digital-Prophetin” eine gemeinsame Strategie und Weiterentwicklung… 

Liebes Tagebuch,

ich oute mich heute: Ich bin ein Fan der Vernetzten Kirche. Ja wirklich, ich finde die digitalen Tools „Evangelische Termine“ (ET) und die „Musterwebsite“ als Idee toll. Ich gebe zu, ich habe lange gebraucht, um den Sinn dahinter zu verstehen. Aber jetzt bin ich – ohne es wirklich zu wollen – diesbezüglich als halbe Prophetin unterwegs. Und zwar inmitten einer Bildungslandschaft, die sich über vier ländliche Dekanate hinweg zieht.

Eine meiner Hauptschnittstellen in der Vernetzungsarbeit sind das Pfarramtsbüro und die dort arbeitenden Sekretärinnen. Deshalb biete ich immer wieder Schulungen zur Nutzung von ET in unserer Region an. Offiziell geht es natürlich um die technische Handhabung und den strategischen Einsatz dieser Tools, um Veranstaltungen aller Art kinderleicht zu finden. Doch der heimliche Schwerpunkt ist ganz anderer Art. Was es nämlich vor allem in den Pfarramtsbüros braucht, ist Wertschätzung und Ermutigung für alles, was dort geleistet wird. Dort sitzten die Menschen, die ganz viel von Kirche ausmachen. Dort wird das geschafft, was von „oben nach unten” durchgeschickt wird. Dort strömen Fluten von Emails ein, die gelesen, sinnvoll sortiert und weitergegeben werden müssen. Dort kommen die Folgen einer kleiner werdenden Kirche als ein riesiger Mehraufwand an, weil vieles erhalten, aber nichts abgeschafft werden will. Meine Beobachtung: Jede(r) schlägt sich dort meist alleine durch, kämpft ums Überleben im eigenen kleinen Reich vor Ort.

Mensch, ich sehe doch diesen Kampf bei mir selbst. Auch ich schlage mich so durch, versuche alles richtig zu machen, um auf gute Weise an Kirche mitzuwirken. Doch das, was alles getan werden soll, lässt mich manchmal echt verzweifeln. Du weißt, ich fühle mich dann wie Petrus, der Angst hat zu versinken. Wo ist die ausgestreckte Hand, die mich dann hält? In meiner Verzweiflung wähle ich in solchen Situationen die Nummer einer Kollegin in der Vernetzten Kirche, die mich tröstet und ermutigt: „Sagen Sie, was Sie brauchen!“

Also gut: „Ich brauche eine sinnvolle Weiterentwicklung digitaler Tools! Ich brauche noch mehr Nutzungsmöglichkeiten, die auf einfache Weise aus den ET heraus generiert werden können. Ich brauche eine kontinuierlich auf die Wünsche der User angepasste Musterwebsite, die so attraktiv ist, dass nicht jeder und jede woanders nach etwas besserem Ausschau hält. Ich will als kleines EBW nicht alles selbst neu erfinden müssen, sondern dass wir strategisch überlegen, wie die Nutzung derselben Tools uns hilft, sich gegenseitig zu unterstützen und den Arbeitsflow zu vereinfachen!“ 

Eine Kirche, die kleiner wird, darf sich selbst nicht das Wichtigste und Entscheidenste nehmen, was sie ausmacht: Die Freude der Menschen in und durch Kirche hoffnungsvoll nach außen zu wirken! Herrgott, hilf uns also, dass wir einen Weg finden, wie sich diese verdammte Flut an Emails eindämmen lässt und sag´ uns welche Kommunikationstools wir wie sinnvoll nutzen können, was es braucht und was weg kann!

Ich weiß: Die notwendige Umstellung von Arbeitsprozessen ist nie nur technischer Art, es ist auch eine geistliche Aufgabe! Aber leider kann ich hier nur als eine halbe Prophetin unterwegs sein, weil ich nicht so richtig durchblicke wie der strategische Plan ausschaut bzw. wer überhaupt einen Plan hat. Oder soll einfach jede(r) weiterhin das machen, was er oder sie für richtig hält? Nur jetzt halt nicht jede einzelne Kirchengemeinde oder Pfarrei, sondern jede kleine Region oder jedes Dekanat? Statt einem EBW jetzt halt zwei oder drei, die sich irgendwie zusammenschließen und ihr eigenes Süppchen kochen?

Ich habe immer gedacht, ich bin eine 100-prozentige Prophetin der Vielfalt. Aber in so manchen Bereichen – vor allem im Umgang mit digitalen Tools, die Vernetzung ermöglichen sollen – würde ich mir wirklich wünschen, wir hätten eine klare Linie „von oben“, auf die sich alle wirklich einlassen. Daher plädiere ich dafür, dass das, was gut ist, weiterentwickelt wird. Dass die Vernetzte Kirche das Personal und die Projektgelder bekommt, die sie braucht, um zum Beispiel das ET-Tool so weiterzuentwickeln, dass alle gerne damit arbeiten. Dass sich daraus zum Beispiel ein übersichtlicher Plan für eine gemeinsame Gottesdienstbesprechung von fünf Pfarrern und Pfarrerinnen mit 15 Predigtstationen entwickeln lässt. Oder eine coole App, die sich junge Eltern nach der Taufe ihres Kindes auf ihr Handy laden können, um über passende Angebote in der Gegend informiert zu sein.

Mit anderen Worten: Ich will, dass die EBWs bzw. die AEEB einen klaren neuen Auftrag zur Zusammenarbeit mit der Vernetzten Kirche bekommen. Und dass die EBWs ähnlich wie bei den Willkommenstagen auch die Menschen in den Pfarrämtern vor Ort ganzheitlich bei all´ den schwierigen Prozessen unterstützen und ermutigen. Damit das klappt, braucht es eine klare Entscheidungsfreudigkeit dafür, was eine vernetzte Kirche braucht und ausmacht. Dir liebes Tagebuch, kann ich das ja mal in aller Deutlichkeit so sagen!

Text: Pfarrerin Heidi Wolfsgruber (Bildung evangelisch zwischen Tauber und Aisch)

Foto: Wikimedia Commons

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