Die Landshuter Dekanin Nina Lubomierski, Gabriele Hörschelmann, Direktorin Mission EineWelt, Regionalbischof Christian Kopp und der Windsbacher Dekan Klaus Schlicker – das sind die vier Kandidat*innen, die sich am 27. März 2023 der Wahl zum/r bayerischen Landesbischof*in und zur Nachfolge von Heinrich Bedford Strohm stellen. Natürlich sind auch wir von der AEEB gespannt, wer das Rennen macht und vor allem wie sich das Kandidat*innen-Quartett zum Thema (Evangelische) Erwachsenenbildung positioniert. Wir haben nachgefragt und folgende Statements erhalten.
AEEB: Wo liegt für Sie die Bedeutung / der Wert von (kirchlicher) Erwachsenenbildung?
Gabriele Hörschelmann: Für mich als Praktische Theologin ist die Religionspädagogik in all ihren Facetten mein Schwerpunktgebiet. Während meiner Berufsjahre als Dozentin an der Theologischen Hochschule in Hongkong habe ich Studierende in meinen Kursen u.a. in der Erwachsenenbildung ausgebildet und Doktorarbeiten in diesem Fachgebiet begleitet. Was ich an der Erwachsenenbildung schätze ist, dass hier Menschen zusammenkommen, die selbst umfassende Lebenserfahrungen und berufliche Kompetenzen mitbringen. Jede und jeder setzt wichtige Impulse und macht so die Erwachsenenbildung für alle bereichernd: Wir sind miteinander eine Lerngemeinschaft. Auch ist die Evangelische Erwachsenenbildung ein sogenannter „Dritter Ort“ der Kirche. Hier finden Menschen, die von christlichen und gesellschaftsrelevanten Themen angesprochen werden, eine Gemeinschaft vor, in der sie ihr kirchliches Zuhause sehen. Die Evangelische Erwachsenenbildung ist einer der besten Orte, um die Evangelische Perspektive auf aktuelle gesellschaftspolitische Fragen auszuloten und zu formulieren. Ich halte die Erwachsenenbildung für ein Powerhouse der Bildungsarbeit der Kirche.
Christian Kopp: Menschen lernen ihr Leben lang. Das macht das Menschsein so interessant. Es gibt immer noch etwas Neues zu erfahren. Die kirchliche Erwachsenenbildung öffnet solche Lernfelder und Bildungsmöglichkeiten an vielen Orten und auch auf sehr kreative, oft überraschende und mutige Weise. Kirche gibt es nicht ohne Bildungsanspruch und Bildungsangebote.
Nina Lubomierski: Die Reformation war eine Bildungsbewegung und verortete Bildung im allgemeinen Priestertum: Nur wer über eine gewisse Bildung verfügt, kann selbst Gottes Wort lesen, ist auskunftsfähig über seinen Glauben und kann Lehraussagen beurteilen. Die Schwerpunkte einer evangelischen Bildungsarbeit liegen daher auf der Sprachfähigkeit im Glauben, auf Bildungsgerechtigkeit und dem, was ‚Herzensbildung‘ genannt werden kann: Einübung von Wertschätzung gegenüber allen Menschen. So verbindet die evangelische Erwachsenenbildung heute kirchliche und öffentliche Bildungsverantwortung.
Klaus Schlicker: Evangelische Erwachsenenbildung findet in unserer Gesellschaft gute Resonanz. Sie hat eine klare evangelische Fundierung, aber blickt weit über das innerkirchliche System hinaus. Ihr Ziel ist es, die Menschen mündig, sprachfähig, demokratiefähig zu machen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Dies halte ich heute für ungemein wichtig, gerade in Zeiten, wo Menschen von radikalen, demokratiefeindlichen und polarisierenden Kräften umworben werden. Evangelische Bildung kann hier gegen die Spaltung der Gesellschaft wirken. Auch Sprachfähigkeit im Blick auf die Inhalte und die Praxis unseres christlichen Glaubens muss immer wieder eingeübt werden. Hier kann die Evangelische Erwachsenenbildung bei den Fragen der Menschen ansetzen und neue Wege der Glaubensbildung eröffnen.
AEEB: Worin sehen Sie die Aufgaben der AEEB (innerkirchliche Entwicklungsprozesse + gesellschaftspolitisch) und wie würden Sie uns aus Ihrem Amt heraus stärken?
Hörschelmann: Meine Einrichtung Mission EineWelt ist eines der Mitglieder der AEEB. Die Erwachsenenbildung stellt einen erheblichen Teil unserer Arbeit in Bayern dar und arbeitet gemeinsam mit anderen vor allem an den aktuellen gesellschaftsrelevanten Fragen im Bereich Entwicklungspolitik, globale Vernetzung der Kirche, Interkulturelles Zusammenleben und Spiritualität. Die AEEB habe ich stets als wichtiges Netzwerk erlebt, das verschiedene Einrichtungen im landesweiten Dienst und in den Dekanaten miteinander verknüpft. Ich habe mit Kooperationen bereichernde Erfahrungen gemacht, da durch die unterschiedlichen Expertisen die Themen erheblich an Kraft gewinnen. Mit dem Amt für Jugendarbeit sind internationale Jugendkonsultationen entstanden, sowie ein zweisprachiges Gesangbuch mit dem Gottesdienst Institut, Fortbildungen mit dem Religionspädagogischen Zentrum sind in Planung, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Dieses umfassende Netzwerk bietet viele Möglichkeiten, sich an den innerkirchlichen Entwicklungsprozessen aktiv zu beteiligen, was ja auch schon von vielen der Mitglieder wahrgenommen wird. Die AEEB ist aber auch „Kirche bei den Menschen“, indem lebensbegleitende Angebote an den wichtigen biographischen Knotenpunkten entstehen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich zu Ihren Veranstaltungen als Referentin und Diskussionspartnerin einladen würden! Dann denken wir miteinander über aktuelle Themen nach und entwickeln gemeinsam evangelische Visionen für die Zukunft der Gesellschaft und der Kirche.
Kopp: Ohne gute Netzwerke kommen Menschen und Organisationen schnell an Grenzen. Ich erlebe die AEEB als engagierten Netzwerkknoten für ihre Mitgliedsorganisationen und als sehr etablierten Netzwerkpartner für den so wichtigen gesellschaftlichen Dialog mit anderen Bildungsorganisationen. Die AEEB ist auch unser kirchlicher Interessensvertreter im Gegenüber zu den staatlichen Partnern. In dieses Netzwerk bringe ich mich seit vielen Jahren aktiv und gerne ein.
Lubomierski: Die AEEB trägt dazu bei, Menschen aus dem Geist des Evangeliums zur Freiheit und zur Verantwortung füreinander zu befähigen. Ev. Erwachsenenbildung mit der AEEB an der Spitze stiftet Beziehungen und wirkt integrierend, organisiert Orte der Begegnung und des Dialogs. Dies erlebe ich in Landshut, wo das Ev. Bildungswerk seine herausragende Bedeutung auch durch die deutliche Unterstützung der AEEB gewonnen hat. Die Stärkung der AEEB muss ein vorrangiges und wichtiges Ziel der ELKB sein und bleiben. Auch in finanziell turbulenten Zeiten muss die ev. Erwachsenenbildung und die Landesorganisation finanziell gestärkt ihre Arbeit als Dienst der Kirche an der Gesellschaft verrichten können.
Schlicker: Die Erwachsenenbildung kann die kirchlichen Transformationsprozesse der kommenden Jahre begleiten und in die Gesellschaft hinein erklären. Die Kirche ihrerseits kann sehr viel von den Erfahrungen der Erwachsenenbildung in den Bereichen Bildung, Vernetzung, Organisation oder auch „Neue Medien“ lernen. Darauf hinzuweisen und dies alles zu unterstützen, sollte für die neue Landesbischöfin oder den neuen Landesbischof selbstverständlich sein. Und natürlich würde ich mich neben der Bildung im Bereich Demokratie besonders für die Stärkung der religiösen Bildung im Lebenslauf im Blick auf die Inhalte des christlichen Glaubens, also der spirituellen Bildung, einsetzen. Und auch noch mehr Module für die Qualifizierung von Ehrenamtlichen einfordern. Die AEEB würde ich als einen wichtigen Partner für die weitere Entwicklung unserer Kirche schätzen.
Zur weiteren Info:
Informationen zur bayerischen Landesbischofswahl 2023 im Sonntagsblatt hier
Wer hat die besten Chancen – ein aktueller Beitrag im Sonntagsblatt hier
Interview: Sabine Löcker (AEEB)