Der Ruf nach mehr Medienkompetenz ist laut, wird jedoch häufig nur mit dem Fokus auf Kinder und Jugendliche diskutiert. Wie aber sieht es in der Erwachsenenbildung aus? – Gerade ältere Menschen – sprich alle, die nicht mit neuen Medien wie Internet und Smartphone-Apps aufgewachsen sind – brauchen dringend digitale Begleitung und Unterstützung, um ihren (beruflichen) Alltag auch in Zukunft bewältigen zu können, erklärt Sabine Jörk, Vorsitzende der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Medien (EAM).
AEEB: Liebe Frau Jörk, in der EAM spielt Medienbildung bereits seit über fünfzig Jahren eine zentrale Rolle, aber natürlich hat sich aufgrund der rasant fortschreitenden Digitalisierung in den letzten Jahren viel auf diesem Gebiet verändert. – Wo liegen Ihre Arbeitsschwerpunkte heute? An wen richten sich die Bildungsangebote der EAM?
Sabine Jörk: Die EAM ist eine Tochter des Deutschen Evangelischen Frauenbundes, Landesverband Bayern e.V.. Sie entstand aus Medienkreisen, in welchen sich Frauen trafen und die klassischen Medien – Fernsehen, Hörfunk, Print – beobachteten, aber auch den Dialog mit den Machern suchten. Diese Medienkreise wurden als Evangelischer Rundfunkdienst bayernweit zusammengeschlossen. Anfang 1990 erfolgte dann die Umbenennung in die Arbeitsgemeinschaft, die zunehmend Medienbildungsangebote zur Förderung von Medienkompetenz für Frauen schuf. Einige Jahre später standen dann auch Bildschirmspiele und das Internet im Fokus und im Zuge der technischen Entwicklung die digitalen Medien und deren Anwendungen. 2015 wurde ich in den Projektbeirat des bundesweiten Projektes Digital-Kompass – ein vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördertes Projekt der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und Deutschland sicher im Netz“ – berufen. 2019 wurden wir dann der erste „Digital-Kompass-Standort“ in München.
Heute ist die EAM eine Anlaufstelle für alle „Senior*innen“, die Unterstützung und Hilfe mit digitalen Medien und deren Anwendungen benötigen. Wobei mit dem Begriff Senior*innen die älteren Generationen ab zirka 50 Jahren als Zielgruppe gemeint sind – also sowohl diejenigen, die bereits in Rente sind, als auch jemand, der noch im Berufsleben steht. Darüber hinaus bilden wir seit mittlerweile vier Jahren Menschen online zu digitalen Begleiter*innen für Senior*innen in ganz Bayern aus und sind Ansprechpartnerin für Multiplikator*innen und Bildungseinrichtungen, die Angebote rund um digitale Medien schaffen möchten. Schließlich sind wir auch noch in vielen wichtigen Gremien vertreten, wie dem Bayerischen Landesfrauenrat, der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) usw..
AEEB: Im Januar dieses Jahres hat die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) in einer bundesweiten Initiative dazu aufgerufen, gemeinsam die notwendigen Rahmenbedingungen für eine umfassende Medienbildung aller Altersgruppen zu schaffen. Was steckt hinter dem so genannten „Berliner Plädoyer“ und warum ist die Initiative auch für die Evangelische Erwachsenenbildung wichtig?
Jörk: Die zunehmende Digitalisierung, die großen globalen Herausforderungen, die rasante Verbreitung von Information aber auch Desinformation und Hass im Netz, missbräuchlicher Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), mangelnder Datenschutz – um nur einige Dinge zu nennen – führen zu einer allgemeingesellschaftlichen Verunsicherung und können soziale Teilhabe behindern. In einer immer komplexer werdenden Medienwelt, in welcher „Gatekeeper“ zunehmend fehlen, müssen wir alle die Fähigkeit entwickeln, Medien kritisch und selbstbestimmt zu nutzen. Denn nur so gelingt es, Informationen richtig einzuordnen, verantwortungsvoll weiterzugeben und unsere demokratischen Werte zu schützen. Angesichts dieser Fakten fordert die GMK eine nationale Bildungsoffensive zur Stärkung und zur umfassenden Förderung der Medienkompetenz und Demokratiebildung für alle Altersgruppen – das heißt nicht nur in der schulischen Bildung, sondern auch in der außerschulischen. Alle Bildungseinrichtungen sind hier gefragt: sie sollen Angebote schaffen und verwirklichen, die die Medienkompetenz und Demokratiebildung in der gesamten Bevölkerung stärken und fördern.
Ich sehe darin eine immens wichtige Aufgabe für die Evangelische Erwachsenenbildung. Zu uns kommen überwiegend ältere Menschen, die eben nicht mit den digitalen Medien aufgewachsen sind und den richtigen Umgang damit privat, aber eventuell auch beruflich noch erlernen müssen. Heißt: Sie müssen lernen, digitale Anwendungen kritisch zu hinterfragen, zu bewerten und verantwortungsvoll zu nutzen. Wir als Erwachsenenbildner*innen müssen dafür sorgen, dass die Generationen 50plus nicht aus gesellschaftlichen Diskussionen und Teilhabe ausgeschlossen werden, sondern durch gezielte Bildungsangebote Teilhabemöglichkeiten kennenlernen und in einem geschützten Raum ausprobieren können. Für den Schutz und die Stärkung unserer Demokratie brauchen wir informierte und engagierte Menschen, die an der digitalen Transformation mitwirken und eben nicht aufgrund des Alters abgehängt werden. – Die EAM ist Mitglied in der GMK und in der GMK Landesgruppe Bayern vertreten und gehört deshalb zu den aktiven Unterstützern und Unterzeichnern des „Berliner Plädoyer für mehr Medienbildung und Demokratiebildung“.
AEEB: Welche konkreten Bildungsangebote hält die EAM bereit, um ältere Menschen im Prozess der digitalen Transformation zu begleiten und zu unterstützen?
Jörk: Der DEF gehört seit 2016 zu den Verbraucherstützpunkten Bayern – ich selbst habe damals als Ausbilderin bei der ersten Verbraucherbildung mit dem Schwerpunkt Medien mitgewirkt – und wir sind wie bereits erwähnt Digital-Kompass-Standort München. In dieser Funktion bietet die EAM alle zwei Wochen kostenlose Einzelsprechstunden in unserem Haus am Kufsteiner Platz an. Zudem gibt es mindestens einmal pro Monat Vorträge und Workshops zu aktuellen Entwicklungen und Medienthemen für Senior*innen – in Präsenz, online und hybrid. Neben den technischen Anforderungen sowie den inhaltlichen und gestalterischen Anwendungsmöglichkeiten, stehen bei uns vor allem die Sicherheit und der Datenschutz im Fokus. Das heißt die Verbraucher*innen lernen bei uns nicht nur die Installation und Anwendung einer App, sondern auch den richtigen Umgang sowie mögliche Alternativen kennen. Wenn wir zum Beispiel einen Workshop zu „Messenger-Diensten“ anbieten, dann sprechen wir sowohl über den Platzhirsch „WhatsApp“, als auch über Alternativen wie „Signal“ und „Threema“ und zeigen bei allen dreien auf, was man unbedingt für den sicheren und datensparsamen Umgang beachten muss.
Letztes Jahr haben wir zudem an der Qualifizierung der BAGSO teilgenommen und können jetzt auch Angebote für sinnes- und mobilitätsbeeinträchtigte Menschen anbieten. In Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk (EBW) München informieren wir Multiplikator*innen auf einem jährlich stattfindenden Fachtag „Digitale Medien und ältere Menschen“, dieses Jahr am 22. März 2025, über die neuesten Entwicklungen, die wir sie dann auch ausprobieren lassen.
AEEB: Egal, ob man die aktuellen Nachrichten liest oder am privaten Stammtisch sitzt, das im Zusammenhang mit Digitalisierung meist diskutierte Thema dieser Tage ist sicherlich der Einsatz und die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). Inwieweit setzt sich die EAM mit diesem Thema auseinander? Gibt es spezielle Angebote zu KI?
Jörk: Ebenfalls in Kooperation mit dem EBW München war die EAM im letzten Jahr Projektpartner der BAGSO im Projekt „Künstliche Intelligenz für ein gutes Altern“ das von 2023 bis 2025 über die „Richtlinie zur Förderung von Künstlicher Intelligenz für das Gemeinwohl“ des Bundesfamilienministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen gefördert wird. Das Projekt möchte ältere Menschen neugierig auf die Chancen von KI machen, Kompetenzen vermitteln, sie aber auch in die Lage versetzen an aktuellen Themen rund um Digitalisierung und KI mit zu diskutieren und dafür zu sorgen, dass sie mehr in Wissenschaft und Forschung rund um KI einbezogen werden. Unsere Trainer*innen konnten sich hierfür in zahlreichen Workshops, Seminaren und zwei Ideenwerkstätten in Präsenz weiterbilden. Wir wurden mit KI-Geräten ausgestattet: Bediengeräte wie Smartphone, Tablet, Sprachassistenzsystemen, smart Home-Geräte (Lampe, Glühbirne, Steckdose, Staubsauger), Smart Watch, smartes Blutdruckmessgerät, einem Nintendo Switch und einer smarten Katze. Dieser KI-Koffer war bereits 2024 auf Einführungsveranstaltungen in München, Bayern und Hannover unterwegs. Seit diesem Jahr sind wir gemeinsam mit dem EBW München ein so genannter „KI Lernort“ und werden praktische Workshops und Vorträge rund um das Thema KI anbieten. Im Februar hatten wir zum Beispiel eine Veranstaltung zu Chat GPT und Co, in welcher wir die verschiedenen Anbieter vorgestellt und im Anschluss auch gleich ausprobiert haben. Wie im „Berliner Plädoyer“ festgehalten, sind Medienkompetenz und Demokratiebildung auch für den Umgang mit KI entscheidend. Wir freuen uns auf die neuen Herausforderungen in der Erwachsenenbildung und dass wir aktiv an der Weiterbildung der Generation 50plus mitwirken und einer Ausgrenzung dieser Altersgruppe entgegenwirken!
Interview: Sabine Löcker (AEEB)
Aktuelle Veranstaltungen der EAM im Bereich Medienkompetenz
ONLINE: 10. Mär. 2025 (18:00 – 19:30 Uhr): Elektronische Patientenakte (epa) – erste Erfahrungen nach der Einführung. Nähere Infos sowie Link zur Teilnahme hier
ONLINE: 2. Mai. 2025 (18:00 – 19:30 Uhr): Bezahlen per Smartphone: Einfache Schritte zur sicheren digitalen Bezahlung. Weitere Infos und Link zur Teilnahme hier
Zur weiteren Info
Das vollständige „Berliner Plädoyer für mehr Medienkompetenz und Demokratiebildung“ sowie die Möglichkeit zur Unterzeichnung finden Sie hier
Noch mehr Infos zur Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Medien finden Sie hier
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