AEEB Interview: Erlebnischarakter und mehr Spontanität

Bei uns geht es um Erleben und Gemeinschaft, nicht um Leistung!“ (Anja Haslinger, EBW Südschwaben)

Welche Entwicklungen und Veränderungen erleben Familienbildner*innen in der Praxis? Was ist bei der Erstellung zeitgemäßer Familienangebote von Bedeutung? – Die AEEB sprach mit Anja Haslinger, Referentin für Familienbildung im Evangelischen Bildungswerk Südschwaben. 

AEEB: Liebe Frau Haslinger, Sie sind Referentin für Familienbildung im Evangelischen Bildungswerk Südschwaben. Was sind Ihre Aufgaben (schwerpunktmäßig) und wo liegen die Ziele Ihrer Arbeit?

Anja Haslinger: Ich unterstütze auf meiner Teilzeitstelle beim ebs die Arbeit mit Familien im Dekanat Kempten und schaffe Angebote. Das heißt: Ich begleite die Kirchengemeinden auf Anfrage bei ihren Familienangeboten bzw. biete diese auch selbst an. Bisher bezogen sich die Wünsche der Gemeinden auf die Mitgestaltung von Familiengottesdiensten oder -Nachmittagen mit biblischen Geschichten, einem „Spaziergang mit allen Sinnen“ oder den Wiederaufbau einer Krabbelgruppe. Eigeninitiiert wurden bisher eine Nähgruppe für Schwangere/Mütter, die sich alle zwei Wochen zum Austausch und dem Nähen von Babyklamotten trifft, sowie meine einmal monatlich stattfindenden Familienaktionen. Bei letzteren geht es darum, die Eltern-Kind Bindung zu stärken, Erlebnisse zu schaffen, Ideen mitzugeben und Gemeinschaft mit anderen Eltern zu erfahren. Die Ziele unserer Angebote sind zum einen mit niederschwelligen Angeboten möglichst viele verschiedene Familien zu erreichen, zum anderen den Familien ein gutes Miteinander zu ermöglichen und ihnen Spiel-und Bastelanregungen zu bieten. Dabei versuche ich Elemente aus meiner systemischen Weiterbildung einzubringen, um den Blick auch immer darauf zu lenken, was schön ist und gut läuft in der Familie. Es gibt Impulse zum Nachdenken, Spiele, Spaß und Tiefsinn. Zudem wollen wir „Kirche“ an anderen Orten erlebbar und auch für kirchenferne Menschen attraktiv machen und so ermöglichen, Kontakte zu knüpfen und im Idealfall Menschen (wieder) für Kirche zu begeistern. 

AEEB: Was hat sich aus Ihrer Erfahrung heraus in den letzten Jahren in der Familienbildung verändert?

Haslinger: Ich bin ja erst seit einem Jahr dabei, aber ich habe bereits jetzt erlebt, dass viele Menschen sagen: „Ich habe so viele Termine, ich möchte mich nicht regelmäßig treffen, sondern gern hier und da mal ein Angebot wahrnehmen.“ – Klar die Krabbelgruppen treffen sich wöchentlich, aber ab dem Wiedereinstieg der Mütter (zumindest hier bei uns sind es nur Mamas) in den Berufsalltag ist das leider nicht mehr so regelmäßig möglich. 

Angebote im Freien (im Wald, am Bach, beim Rodeln etc.) werden vor allem deshalb gerne angenommen, weil die Kinder einfach „lieber mit laufen“, wenn sie spielerische Aufgaben bekommen und gemeinsam unterwegs sind, und so auch die Eltern „einmal  entspannt rauskommen“. Angesichts von Corona hieß es zudem: „Draußen habe ich keine Sorge, mich mit so vielen Menschen zu treffen“. Generell kommen die Leute heutzutage gerne spontan, was natürlich eine hohe Flexibilität von uns als Veranstalter verlangt – materialtechnisch, aber auch bei der Frage welche Kinder welchen Alters da sind. Es Bedarf natürlich einer guten Vorbereitung um für Kinder zwischen null und zehn Jahren gerüstet zu sein. Doch gerade die Familien mit mehreren Kindern, also diejenigen mit mehreren Bedürfnissen, Terminen und auch der Möglichkeit krank zu werden, wollen sich ungern festlegen. In der Werbung bitte ich zwar immer um Anmeldung, freue mich jedoch über alle Besucher. Im Vergleich zu regelmäßigen Gruppen fehlt natürlich das als Gruppe wachsen, sich vertraut werden und Gemeinschaft tiefer zu erfahren. ​Ich denke, dass sich zweitgemäße Angebote eher auf das als Familie unterwegs sein und sich als Familie erleben konzentrieren.

AEEB: Wie gehen Sie bei der Planung neuer Projekte vor?

Haslinger: Die Überlegung war, ob man erst eine Analyse startet, welche Angebote Familien sich wünschen. Doch mal ehrlich, wie können denn die Familien wissen, was sie von uns als ebs erwarten dürfen? Von daher haben wir unsere Angebote und Aktionen gesetzt, einen Jahresflyer erstellt und diesen in den Gemeinden und den evangelischen Kindergärten ausgelegt. Zeitgleich habe ich mich in den Kirchengemeinden vorgestellt, um direkt Kontakte zu knüpfen und Bedürfnisse abzuklären. Gerade überlegen wir, unseren Programm-Flyer vierteljährlich herauszubringen. So können wir nicht nur besser nachjustieren, aktueller und präsenter bleiben, sondern auch Wünsche und Veränderungen flexibel einarbeiten. Familienbildung ist ein stetiges Ausprobieren. Bisher haben wir mit unserem Programm Familien ansprechen können und wir versuchen auch weiterhin mit den Veränderungen mit zu gehen.    

AEEB: Eines Ihrer aktuellen Projekte sind so genannte Familienaktionen? Welche konzeptionelle Idee steckt hinter diesem Angebot und warum denken Sie, ist dieses Angebot so erfolgreich?

Haslinger: Die Familienaktionen sind so angelegt, dass sie Menschen in ihrer (teils ja relativ neuen) Lebenswirklichkeit als Familie ansprechen. Dabei sind die Angebote so gewählt, dass sie an sich schon einen Reiz darstellen sollen – gemeinsam Wandern, Kastanien sammeln oder Bachwandern. Hinzu kommen dann thematische Denkanstöße, biblische Geschichten, Gesprächsmöglichkeiten, Bastelangebote usw. die eine Aktion besonders machen. Ich denke, dass die systemische, wertschätzende Grundhaltung den Familien gegenüber und der thematische Rahmen ein Klima bieten, in dem man sich wohlfühlen kann und gern wieder kommt. Vielleicht ist es die Mischung aus draußen unterwegs sein und doch ein wenig Tiefsinn, das Familien neugierig macht. Wichtig ist uns, dass sich die Teilnehmenden als Familie (oder Mutter/Vater-Kind Konstellation) funktionierend erleben und die individuelle, familieninterne Bindung erlebbar wird.  

AEEB: Was wünschen Sie sich für die Zukunft in der Familienbildung?

Haslinger: Ich persönlich wünsche mir, dass ich noch mehr Familien erreichen kann und diese sich nach einem gemeinsam Nachmittag denken, „Ach, das hat uns jetzt gutgetan, schön dass wir uns mal wieder so harmonisch erleben konnten„.  Dass Familien Anregungen mitnehmen und gerne wiederkommen. Allgemein wünsche ich mir eine gute Vernetzung der Bildungswerke – so eine Art Plattform, auf der man sich informieren kann, was sich in anderen Einrichtungen so tut. Sprich, dass man von den Erfahrungen anderer profitiert sowie inspiriert wird und Angebote verbessern kann, um mehr Menschen zu erreichen und ihnen eine gute Zeit zu ermöglichen. Schließlich geht es bei uns um Erleben und Gemeinschaft und nicht um Leistung oder das sich vergleichen/verbessern/ verändern, was die Familien im Alltag ja sonst überall haben. Bei uns geht es einfach nur ums Sein. Alle sollen so kommen und sein dürfen wie sie sind.

Einen Link zur Website der ebs Südschwaben finden Sie hier

Interview: Sabine Löcker (AEEB)

Foto: EBW Südschwaben

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