Am 1. Juni 2022 geht das gemeinsame, neue Digitalportal von AEEB, Diakonie und ELKB an den Start. Die AEEB sprach mit den fachlich Verantwortlichen – Alexandra Kohle (Projektleiterin Digitale Professionalisierung, AEEB), Jürgen Pelzer (Projektleiter Vernetzte Vielfalt, Diakonie Bayern) und Marlies Barkowski (Projektleiterin Evaluation Digitalstrategie, ELKB) über die Ziele, Inhalte und Hintergründe ihrer neuen Internetplattform.
AEEB: Worum geht es beim neuen Digitalportal der Evangelischen Erwachsenenbildung in Bayern?
Marlies Barkowski: Das gemeinsame Digitalportal ist der Startpunkt für die Vernetzung der Digitalisierungs-Fachleute untereinander. Das Portal bietet Infos und Inspiration rund um digitale Themen, einen Überblick über Strukturen, strategische Überlegungen und Studien in der ELKB und vor allem zahlreiche Ansprechpersonen zu einzelnen Fachgebieten und Fragestellungen. Zentrales Element ist ein Multiautorenblog.
Alexandra Kohle: Der Blog ist gerade deswegen so wichtig, da die Zahl der Menschen, die sich informell weiterbilden, zunimmt, während die non-formale Bildung eher abnimmt. Nachdem unsere Aufgabe aber die niedrigschwellige Bildung ist, müssen wir eben auch informelle Bildungsangebote machen. Die einfachste und flexibelste Lösung dafür ist ein Blog.
Jürgen Pelzer: Was dieser Blog erreichen will? Wir alle erleben in der Landeskirche, in der Erwachsenenbildung und in der Diakonie digitale Transformationsprozesse. Wir und die vielen Autor*innen des Blogs arbeiten an Stellen der Transformation und haben Prozesse und Projekte digital umgesetzt. Wir sehen in dieser Veränderung Chancen für die eigene und die gemeinsame Mission. In unserem Blog tragen wir aktuelle und interessante Erkenntnisse, Erfahrungen und Erlebnisse rund um digitale Themen zusammen, um möglichst konkret Chancen und Einsatzmöglichkeiten für digitale Transformationen zu beschreiben. Möglichst viele Menschen in unserer Kirche sollen von diesem gemeinsamen Wissensschatz profitieren.
AEEB: Seit Monaten arbeiten Sie als rein digitales Team, ohne Präsenztreffen. Trotzdem entstand ein die kirchlichen Werke übergreifendes Digitalportal. Was bedeutet Digitalisierung für Sie persönlich?
Kohle: Die Digitalisierung ist seit fast zehn Jahren mein Beruf, bei mir dreht sich alles um digitales Arbeiten, digitale Prozesse und digitale Didaktik. Die Digitalisierung ist für mich zudem der Grundstein für eine ausgewogene Work-Life-Family-Balance. Dass digitales Arbeiten super funktionieren und in der Kirche unheimlich viel bewegen kann, zeigt unsere gemeinsames Arbeiten.
Pelzer: Für mich bedeutet die Digitalisierung vor allem Verbundenheit. Ich komme aus einem kleinen Dorf in der Eifel, das Internet war für mich der Zugang zur Welt. Früh war ich in sozialen Netzwerken unterwegs. In den letzten Jahren bin ich neunmal umgezogen, sechs Städte, drei Bundesländer. Dank der sozialen Netzwerke blieb ich immer verbunden mit meinem Freundeskreis. Menschliche Verbundenheit wird eben auch digital ermöglicht. Beruflich habe ich viel mit sozialen Netzwerken, Messengern und Collaboration Tools zu tun gehabt. In der Diakonie läuft noch viel über E-Mails und den Versand von Dateien, es ist eine sich langsam wandelnde E-Mail-Kultur, was natürlich mit den Tätigkeiten und Arbeitsabläufen in der Diakonie zu tun hat.
AEEB: Welchem Impact hat die Digitalisierung aus Ihrer Sicht auf die Kirche?
Barkowski: Die Digitalisierung in der Kirche sehe ich als Chance. Für die Mitarbeitenden entstehen verbesserte Arbeitsabläufe, Prozesse werden verschlankt. Zudem können wir die Menschen auf vielfältige Weise, über unterschiedliche Kanäle ansprechen – auch neue Mitarbeiter*innen erreichen wir so. Zugleich stellt die Digitalisierung die Kirche auch vor ethische Fragen und Herausforderungen, auf die wir Antworten finden müssen.
Kohle: Beim aktuell deutlich zunehmenden Fachkräftemangel wird es auch immer wichtiger, für Aufgaben oder Projekte die passende Person einstellen zu können – egal, ob der- oder diejenige im Hamburger Homeoffice oder in der Münchner Dienststelle arbeitet.
AEEB: Stichwort Fachkräftemangel – Wieso ist Digitalisierung hier relevant?
Kohle: Vom digitalen Arbeiten profitieren nicht nur die jungen Digital Natives. Digitales Arbeiten ermöglicht manchen Menschen überhaupt erst das Arbeiten oder mehr Stunden zu arbeiten, wenn Fahrtzeiten wegfallen. Familie und Beruf oder die Pflege von Angehörigen zuhause sind so leichter zu vereinbaren. Auch eine digitale Altersteilzeit ist denkbar, so dass der Übergang in den Ruhestand leichter fällt und die Kolleg*innen ihre Kompetenzen auch von daheim einbringen können.
Barkowski: Weitere wichtige Aspekte beim digitalen Arbeiten: Es ist zeitsparend und kosteneffizient – insgesamt merken wir, dass Dienstreisen deutlich weniger geworden sind. Das hatte natürlich auch mit der Pandemie zu tun, aber wir haben in dieser Zeit gemerkt, dass viele Termine oder Fortbildungen durchaus auch online möglich sind und meistens sehr gut funktionieren. Früher sind wir in ganz Bayern unterwegs gewesen, heute sparen wir viel Zeit und Geld, wenn Veranstaltungen, bei denen es fachlich passt, eher online stattfinden. Auch die Terminplanung war für Beteiligte aus unterschiedlichen Regionen mit einem hohen Aufwand verbunden, das geht jetzt viel schneller, was auch dazu führt, dass es oftmals eine frühere und leichtere Einbindung und damit verbundene Synergieeffekte gibt.
Pelzer: Die Digitalisierung wirkt auch dem Silodenken entgegen, die kirchlichen Strukturen werden durchlässiger und es entstehen Synergien auf vielen Ebenen.
Barkowski: Ja, die verschiedenen Einrichtungen der Kirche wachsen noch mehr zusammen, viele arbeiten jetzt übergreifender an den Herausforderungen und Themen unserer Zeit. Die Digitalisierung gibt auch der Mitgliederkommunikation einen Schub. Gemeinde-Apps fördern die Vernetzung und Kommunikation, Gemeinden sind auf Social Media unterwegs. Zum Sonntagsgottesdienst kommen vermehrt neue Formen, die andere Zielgruppen ansprechen.
Die Digitalisierung und die Auseinandersetzung mit ihr bringt uns auch dazu, uns mit unserer Kirche auseinanderzusetzen. Da dreht es sich um die Frage nach dem Kern der Kirche. Die Menschen fragen sich, was genau ihnen Kirche bringt und welche Positionen Kirche im gesellschaftlichen Miteinander bezieht.
Klar ist aber auch, dass die Digitalisierung kein Allheilmittel ist. In der Kirche müssen sich die Strukturen weiter verändern, was ja bereits Schritt für Schritt geschieht. Denn Abläufe, die nicht gut funktionieren, funktionieren nicht zwangsläufig besser, wenn sie digitalisiert wurden.
AEEB: Ein Digitalportal für Prosument*innen – Was bedeutet das?
Pelzer: Das Tolle beim Digitalportal ist das Bottom-up-Prinzip. Die Nutzer*innen und ihre Bedürfnisse und Themen stehen im Zentrum. Ähnlich wie bei YouTube, der weltgrößten Videoplattform, bei der es heißt: „Du bist die Sendung“ – das ist das Prinzip bei Social Media. Jeder geht auf Sendung. Und wir können uns als Kirche auch fragen, was die Menschen auf Social Media uns anbieten, im Sinne einer gabenorientierten Sicht – wie wirkt denn da der Heilige Geist? Es geht hier um reziprokes Handeln. Die Nutzer*innen wandeln sich von reinen Konsument*innen zum Prosument*innen, die nicht nur konsumieren, sondern auch selbst Inhalte produzieren. Genau diesen Schritt macht das Digitalportal mit. Alle Mitarbeitenden, die mit Themen und Fragestellungen rund um Digitalisierung in AEEB, Diakonie und ELKB zu tun haben, können das Portal mit ihren Fragen, ihrem Wissen und ihren Kompetenzen gestalten. Das Portal ist so auch ein guter Zugang für neue und junge Mitarbeitende. Es erleichtert das Andocken bei Kirche und Diakonie als Arbeitgeber und bietet viel Dynamik, Netzwerken und Austauschen.
Barkowski: Das Digitalportal spiegelt hier die Bedürfnisse wider….
Kohle: …nach Vernetzung und Austausch von Informationen…
Barkowski: …und das Netz wird immer größer, je stärker sich die Einrichtungen und Gemeinden auch auf Arbeitsebene vernetzen. Das Digitalportal soll diese einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung in Zukunft weiter stärken.
Pelzer: Durch die Vernetzung und Digitalisierung wird auch die Vielfalt der Kirche für die Menschen bzw. die Gesellschaft sichtbarer. Kirche sind viele. Es gibt verschiedene Positionen und Meinungen zu allen möglichen Sachverhalten, keinen Einheitsbrei.
P.S.: Wie bereits erwähnt, geht das neue Digitalportal am 1. Juni 2022 online – eine offizielle Pressemitteilung mit weiteren Infos erscheint nach den Pfingstferien!
Interview: Damaris Sonn (AEEB); Foto: AEEB